MAX MAURER
WISE 2019
Nach einer guten halben Stunde Fahrt über Landstraßen und kleine Dörfer, egal aus welcher Richtung kommend, erreicht man Frankenberg nur über großflächige neue Einfamilienhaussiedlungen im Grünen. Vom Traum der Kleinstadtidylle mit beruhigten Spielstraßen hat das wenig zu tun.
Frankenberg Eder ist eine nordhessische Kleinstadt im Landkreis Waldeck-Frankenberg mit 17.800 Einwohnern (Statistisches Landesamt 2018). Mit 143 Einwohnern je km² ist Frankenberg sehr zersiedelt und Urbanität ist lediglich im historischen Zentrum spürbar. Dies kann man auf die immer noch anhaltende Suburbanisierung im ländlichen Raum zurückführen. Es entsteht unstrukturiertes Wachstum am Ortsrand in Form neuer Einfamilienhausgebiete trotz Leerstand im Zentrum. Um die Entwicklung derartiger Regionen nachhaltig zu steuern, muss man jedoch über Nachverdichtung nachdenken und das Konzept der „Stadt der kurzen Wege“ verfolgen. Nicht genutzte Gebäude und Brachflächen müssen reaktiviert werden, um diese „städtische Atmosphäre“ wieder zu erhalten.
Das ca. 6000 qm große Grundstück liegt westlich der historischen Altstadt. Es befindet sich zur Hälfte im Überschwemmungsgebiet. Ungefähr einmal im Jahr steigt das Wasser der Eder so weit an, dass der nördliche Teil des Grundstücks überschwemmt wird. Der südliche Teil ist zur Straße hin durch ein Autohaus bebaut, von welchem die Werkstatthalle erhalten bleibt. Diese bildet das Zentrum des neuen Quartiers. Mehrfachnutzung ist eine nachhaltige Nutzung. Die Räume stehen nicht nur dem Bewohner zur Verfügung, sondern öffnen sich der Stadt für Veranstaltungen und tragen so zu Lebensqualität im ganzen Viertel bei. Sie beinhaltet eine Waschküche, einen Kinderwagen- / Fahrradkeller, eine Werkstatt, eine Gemeinschaftsküche, eine Bühne, Sanitäranlagen, Garderobe und eine Kinderbetreuung. Um die ehemalige Werkstatt liegen neun Gebäude verteilt. Die Ausrichtung und Setzung der Gebäude und die Funktion des Stegs ähnelt der städtebaulichen Idee einer prähistorischen Pfahlbausiedlung im alpinen Raum. Dort lebten die Bewohner in
Kommunen auf begrenztem Raum und teilten sich Boote und Liegeplätze. Diese Form von Gemeinschaft bringt eine fortschrittliche Denkweise mit sich. Die teilweise überproportionierten Stege, wie die der Pfahlbausiedlung in Unter Uhldingen am Bodensee, dienten als Ausgleich für die Einschränkungen des Lebens auf dem Wasser. Sie fungierten als soziale Gemeinschaftsfläche und erweiterter Wohnraum Das Grundrisskonzept ist auf ein 3,50m Achsraster aufgebaut. Mit 3-4 Wohnungen pro Gebäude entstehen 33 Wohneinheiten. Durch die verschieden großen Wohnungstypen von 25- 90 qm entsteht eine gemischte Bewohnergruppe. Ost- und westlich der Werkstatthalle bilden drei Gebäude jeweils einen Hof, über welchen die Erschließung erfolgt. Durch eine gewisse Dichte entsteht Urbanität, welche sich nach Norden hin zur Eder auflockert und eine weite Sicht ermöglicht. Die nördlichen vier Gebäude stehen aufgeständert über der Wiese auf einem Steg. Der Steg liegt wie ein Teppich auf dem Grundstück und dient nicht nur der Erschließung. Er bildet Schutz vor Hochwasser und ist Begegnungs- und Gemeinschaftsfläche. Durch die Setzung der Gebäude auf dem Steg bilden sich semiprivate Räume. Die Grenze
zwischen öffentlich und privat verschwimmt. Richtung Eder ergeben sich private Balkone und in Richtung Halle gemeinschaftliche Terrassen. Vom zentralen Marktplatz aus ergibt sich eine öffentliche Durchwegung des Quartiers unter dem Steg entlang zur Eder hin. An dieser Stelle erhebt sich der Steg und formuliert eine Einladung zum Durchgehen. Die Wiese kann, sofern sie nicht überschwemmt ist, temporär genutzt werden. Mit der Zeit werden sich informelle Wege bilden.