Frauen in Architetur und Planung (FiAuP): Nischenberufe

Autor*in: Stella Bünger

Frauen in Architektur und Planung: Nischenberufe
von
Jelena, Lea, Jana Christiane, Enya

 In eine Nische gedrängt oder Grenzen gesprengt?

 Der Begriff Nische kann in unterschiedlichen Zusammenhängen verwendet werden. Es handelt sich bei einer Nische u.a. um eine flache Einbuchtung oder Vertiefung in einer Wand oder Mauer oder sogar um eine kleine Erweiterung eines Raumes. Der Begriff beschreibt darüber hinaus auch einen privaten oder gesellschaftlichen Rückzugsort bzw. einen Bereich, welcher freie Entfaltung erlaubt. Weitere Verwendung findet der Begriff in der Biologie. Hier handelt es sich um eine ökologische Nische, welche zum einen ein “Gebiet, in dem die ausschlaggebenden Lebens-, Umweltbedingungen einer bestimmten Tier- oder Pflanzenart das Überleben ermöglichen” beschreibt, zum anderen aber auch eine “Funktion, die eine Tier- oder Pflanzenart in einem Ökosystem erfüllt”. Einen letzten Gebrauch findet der Begriff Nische in der Wirtschaft und ist als Synonym zum Begriff Marktlücke anzusehen.[1]

Ein Nischenberuf lässt sich infolgedessen definieren als Beschäftigung, welcher inhaltlich an ein neues Arbeitsfeld anschließt und sich  weitgehend von der ursprünglichen Anstellung distanziert sowie gleichzeitig ein eher seltenerer Berufszweig ist.

Ein:e Grenzgänger:in ist eine “Person, die regelmäßig eine Grenze passiert [um in dem Gebiet jenseits der Grenze zu arbeiten, in die Schule zu gehen o. Ä.]”.[2] Arbeits- und Wohnort befinden sich somit in verschiedenen Ländern und die Grenze wird mindestens einmal pro Woche überquert. Dabei leben Grenzgänger:innen meist in unmittelbarer Nähe zur Landesgrenze. Wie bereits erwähnt, beschreibt man als Grenzgänger:innen nicht nur Arbeitnehmer:innen, sondern auch Schüler:innen, welche im Inland leben und in ausländische Bildungseinrichtungen pendeln.[3]

 

Das Berufsbild der Architekt:innen war schon immer weit gefasst, neben ästhetischen und künstlerischen Ansprüchen haben Architekt:innen auch die wissenschaftlich-technischen Anforderungen bei ihrem Schaffen berücksichtigt. Verschiedene Disziplinen und Fachplaner:innen sind hier gefragt und kommen zu einem Entwurf zusammen – eine noch so ansprechende Architektur ist ohne ein funktionierendes Tragwerk nichts wert. Diese Aufgabenteilung war aber nicht immer die Regel.

“Den Architekten gibt es nicht.” (Stock 2012) Im Laufe der Geschichte und in den einzelnen Epochen hat sich das Berufsbild und der Status der Architekt:innen kontinuierlich verändert. 2.650 v.u.Z. als hoher Würdenträger, Oberster Baumeister und Vorlesepriester Djosers bekannt, ist Imhotep einer der ältesten bekannten Architekten und zeigt den Stellenwert dieses Berufs im alten Ägypten. Im Mittelalter hingegen sind sie unbekannt, es sind lediglich einfache Handwerker, denen kein ganzes Volk zu Füßen liegt. Erst wieder in der Renaissance nimmt das Ansehen dieses Berufes wieder zu – die Baumeister werden selbstbewusst und stolz und zuweilen auch übermütig. “Der französische Baumeister Claude Nicolas Ledoux sah sich im 18. Jahrhundert als ‘Titan der Erde’. Bescheidenheit sieht anders aus.” (Stock 2012) Im Barock wendet sich das Blatt erneut, auf Illustrationen dieser Zeit werden die Architekten kniend und Pläne ausbreitend zu Füßen des Herrschers dargestellt – das Selbstbewusstsein von Ledoux war verschwunden. Damals verband der Beruf der Architekten den der Künstler und Ingenieuren – man musste beides sein, um als Architekt zu bestehen. Später trennten sich die Wege und die Ingenieur:in erhielt einen eigenen Beruf.[4]

 

Bis zu diesem Zeitpunkt ist der Beruf des Architekten ein männerdominiertes Feld. Die Gesellschaft ist der Ansicht, dass die Weiblichkeit sich nicht mit der Arbeit des Architekten verträgt.[5] Dem Einsatz von Therese Mogger (1919 die erste Frau im Bund Deutscher Architekten) ist es zu verdanken, dass der Studiengang Architektur auch Frauen erstmals im Jahr 1909 eröffnet wurde. So war die erste Diplom-Architektin Deutschlands, die an der TH Charlottenburg studierte, Elisabeth von Knobelsdorff.

Heute braucht man so viel mehr für Entwurf und Bauvorhaben. “Heute braucht man einen Bodengutachter, Statiker, Bautechniker, Bauphysiker, Fassadenplaner, Beleuchtungstechniker und Installationsspezialisten. Man benötigt einen Bauökonomen, einen Funktionsberater, einen Marketingexperten , einen Projektsteuerer, einen Bauleiter einen Bauunternehmer oder am besten einen Generalunternehmer.” (BPS 2003) Und das sind bei weitem nicht alle Fachdisziplinen, die sich aus dem Berufsbild der Architekt:innen ableiten lassen.

 

In den 16 Länderarchitektenkammern sind mit dem Stand vom 01.01.2022 insgesamt 138.024 Architekt:innen, Landschaftsarchitekt:innen, Innenarchitekt:innen und Stadtplaner:innen eingetragen, das macht Deutschland mit einer Fachplaner:in pro 610 Einwohner:innen zu einem Land mit einer der höchsten Architekt:innendichten Europas.[6]

 

Im Berichtsmonat Januar 2023 des Referats für Wirtschaftspolitik der BAK geht hervor, dass die Zahl der arbeitslosen Architekt:innen 2.725 beträgt, selbst wenn man die Zahlen der Arbeitslosen in Stadtplanung (271), Landschaftsarchitektur (278) und Innenarchitektur (619) addieren würde, würde man nicht ansatzweise an diese Zahl herankommen. Eine Zahl, die bei dem Recht konstanten Bestand gemeldeter Arbeitsstellen gar nicht sinken kann und die jährlich durch die hinzukommenden Architektur-Absolvent:innen weiter ausgereizt wird und wächst.[7] Allein im Jahr 2021 gab es 3.396 Masterabsolvent:innen im Studiengang Architektur und auch diese sowie die Absolvent:innen aus dem Jahr 2022 und die zukünftigen Absolvent:innen wollen zusätzlich zu den aktuell arbeitslosen Architekt:innen mit einem Beruf versorgt und abgesichert sein. Dieses Missverhältnis spitzt sich sogar noch mehr zu, wenn man die Zahl der Bachelorabsolvent:innen (4.861) hinzu rechnet – zumindest einen Bruchteil dieser, denn mittlerweile ist es keine Seltenheit mehr zwischen Bachelor und Master eine Pause einzulegen und in dieser “Pause” Berufserfahrungen zu sammeln.[8]

In Anbetracht der Tatsache, wie viele sich dennoch in Deutschland für ein Architekturstudium entscheiden und dass auch diese Zahl seit dem WiSe 2008/2009 kontinuierlich wächst, ist eine Entspannung nicht in Sicht.[9]

Der stetig steigende Druck auf dem Arbeitsmarkt und die andauernden Krisen im Bereich der Wirtschaft sorgen weiterhin für eine sinkende Nachfrage von Nachwuchsarchitekt:innen. Häufig wird der Einsatz von Praktikant:innen bevorzugt. Die hohe Arbeitslosenquote sorgt für einen überlaufenden Arbeitsmarkt, sodass der Berufseinstieg immens erschwert wird. Qualifikationsanforderungen werden erhöht, eine Kontroverse entsteht. Berufserfahrung kann nicht gesammelt werden, sodass auch der Weg in die Selbstständigkeit steinig ist.

Mit den zunehmenden Studierendenzahlen und der damit einhergehenden Problemstellung auf dem Arbeitsmarkt muss man als Architekt:in flexibel werden. Der Beruf Architekt:in bietet über den Kernbereich der Tätigkeit in der Baubranche viele Möglichkeiten. Erlernte Handwerke in sozialen, ästhetischen, technischen und organisatorischen Schwerpunkten[10] müssen als Chance genutzt werden, eine Nische zu entdecken und Möglichkeiten zu finden, sich auf neue Wege zu spezialisieren. Es gilt sich hierbei auch selbst zu entdecken und einschätzen zu können, denn nur wer den Mut hat und seine Fertigkeiten gut einschätzen kann, kann Grenzgänger:in werden. Das über Jahre angeeignete Fachwissen begünstigt den Vorgang.

Der Einstieg in solch neue Arbeitsbereiche gelingt insbesondere durch die Zusammenführung der eigenen Interessen mit fachübergreifenden Qualifikationen, die im Studium gesammelt wurden. Für die vielfältigen Möglichkeiten im Berufsbild Architekt:in gibt es einige Beispiele, die durch diese fachbezogene Spezialisierung hervorgegangen sind. Neben den Angestellt:innenverhältnissen in Ingenieur- und Architekturbüros, welche bedingt durch die Wirtschaftskrise rar sind, können berufliche Positionen im Verwaltungs- und Wohnungswesen angenommen werden. Durch die umfangreichen Studieninhalte im Fachbereich Architektur, Stadt- und Landschaftsplanung, wie zum Beispiel Modellbau, Fotografie, aber auch Themen in Richtung Digitalisierung, gibt es vielerlei Möglichkeiten in anderen Tätigkeitsfeldern Fuß zu fassen. Berufe wie Kulturmanager:in, Designer:in, Hersteller:in und Fotograf:in[11] sind nur einige Beispiele, die hier zu nennen sind.

Konkrete Beispiele hierfür bieten die Biografien solcher Grenzgänger:innen, die sich in Nischen Berufen etabliert haben. Im Folgenden wird auf die Beweggründe der Einzelschicksale eingegangen. Die Analysen geben Aufschluss darüber, welche Fähigkeiten im Vordergrund stehen, worin die Berufung der einzelnen Personen liegt und was häufige Beweggründe für berufliche Veränderungen und die Entwicklung hierzu sind.

 Die Gesichter hinter den Nischen

Sich in eine berufliche Nische zu begeben, ist im Bereich der Architektur keine Seltenheit. Durch allerlei Erlerntes sind der Berufswahl keine Grenzen gesetzt, dennoch verlangt es viel Eigeninitiative und Mut den Schritt ins Unbekannte zu wagen. Um verstehen zu können, welche Beweggründe dahinter stecken, geben uns im folgenden Abschnitt dieser Arbeit verschiedene Architekt:innen unserer Zeit einen Einblick in Ihren Alltag und erläutern Ihren Lebensweg.[12]

Die erste Grenzgängerin, die uns begegnet, ist die Modedesignerin Ulrike Dorn aus Berlin.

Ursprünglich in Aachen aufgewachsen, studierte sie an der RWTH Architektur. Nach Erlangen des Vordiploms zieht es sie in die Hauptstadt nach Berlin. Zunächst sieht ihr Lebenslauf nach einer typischen Architektur Laufbahn aus. Nach dem Vordiplom versucht sie sich in der Arbeitswelt zu etablieren und sucht unter anderem in London sowie bei renommierten Architekturbüros nach Jobs.

Der Bewerbungsweg ist dennoch schwierig. Auf viele Anfragen folgen Absagen, da ein starker Bedarfsrückgang in der Architektur zu verzeichnen ist. Dennoch schafft sie es in verschiedenen Büros, darunter Coop Himmelb(l)au, Fuß zu fassen.

 

“Es gab keinen Moment, in dem ich gesagt habe: Jetzt will ich keine Architektin mehr sein.” [13]

Sie selbst hätte einen Karrierewechsel nicht sofort in Betracht gezogen. Während Ihres Aufenthaltes in Wien lernt sie den Modedesigner Jürgen Frisch kennen. Dieser studierte Design und genoss die Schule von Vivienne Westwood an der Hochschule für angewandte Kunst. Die Verbindung zwischen Architektur und Design war Ulrike Dorn unmittelbar klar, so teilten Sie nicht nur Ihr Privatleben, sondern arbeiteten auch gern miteinander.

Zusammen entdeckten sie die Modewelt und hatten viel Spaß beim Erstellen gemeinsamer Kollektionen, an einen Rückzug aus dem Bereich der Architektur hatte Ulrike Dorn zu dieser Zeit jedoch nicht gedacht. Ihr ist es vor allem wichtig, dass sie nie bewusst nach dieser neuen Aufgabe gesucht hat, sondern dass sie sich dort hinein gearbeitet hat. Eine zufällige Entwicklung, die der Partnerarbeit geschuldet ist. Hinzu kommt der Umstand, dass zur Zeit der Implementierung des neuen Modelabels, genannt “Frisch” (seit 2004), der Arbeitsmarkt in Berlin, ihrer neuen Wahlheimat, keine Optionen bietet.

„So was ist nicht planbar. Aber Chancen muss man ergreifen, wenn sie sich bieten“ [14]

Ihren Lebensweg beschreibt sie selbst als sehr pragmatisch und flexibel, beweglich bleiben ist ihr Erfolgsrezept, mutig zu sein gehört dazu, jedoch ist auch klar, dass es vielleicht nicht immer die Mode sein kann, auch hier ist sie sich sicher, dass es Hürden oder Grenzen geben kann. Die Architekturwelt ist nie aus Ihrem Fokus verschwunden, sondern eher ein Teil des Großen und Ganzen geworden, da die beiden kreativen Berufe ähnliche Arbeitsabläufe verzeichnen.

Auf die Frage, ob sie erneut Architektur studieren würde, antwortete sie mit einem klaren “Ja”. [15] Sie beschreibt die Möglichkeiten, die dieses Studium bietet, als so vielschichtig, dass einem viele Möglichkeiten zur Selbstverwirklichung nach dem Studium eröffnet werden.

 

01) von Jana

 

Eine weitere Grenzgängerin ist Daniela Riedel, welche 1972 in Landau a.d. Pfalz geboren wurde und nach der Schule zunächst ein Studium der Architektur an der Universität Stuttgart absolviert hat. Währenddessen merkt sie bereits, dass sie nach ihrem Studium nicht den klassischen Beruf einer entwerfenden Architektin ausüben möchte.

„Es war mir schnell klar, dass ich nicht als Architektin arbeiten wollte.“[16]

Ausschlaggebend für ein Praktikum in der Öffentlichkeitsarbeit war zum einen ein Seminar “Schreiben für Architekten”, welches sie an der Uni belegte, und zum anderen ein Gastvortrag von Dr. Hans Stimmann über Berlin und das Planwerk Innenstadt. Dies beeindruckte Riedel so, dass sie beschloss, nach Berlin zu gehen. Nach einem Praktikum bei der Architekturwerkstatt des Berliner Bausenats entschied sie jedoch schnell, dass ein Beruf in der Verwaltung nicht in Frage kommt. Sie sei zu ungeduldig und könne ihre Ideen nicht umsetzen.

Da das Interesse am Thema jedoch weiterhin vorhanden war, bewarb sie sich um ein Praktikum bei der Bundesarchitektenkammer in Berlin. Durch einen neuen Präsidenten und neuen Hauptgeschäftsführer habe man gespürt, “dass jetzt hier ein ganz anderer Wind weht: Auf nach vorne, auf in neue Zeiten, wir sind wieder wer!”[17]. Zu dieser Zeit war viel zu tun in der Öffentlichkeitsarbeit, wodurch Riedel überall mal reinschnuppern konnte. Zurück in Stuttgart stellte sie fest, dass ihr Studium auch für den Weg abseits einer klassischen ArchitektInnenlaufbahn wichtig sei und beendete dies 2001 mit ihrer Diplomarbeit zum Thema “Das Berufsbild des Architekten im Wandel”.

Ein weiteres Praktikum in Berlin folgt. Durch ihre früheren Kontakte bei der Bundesarchitektenkammer kann sie kurzfristig ein Praktikum beim BDA beginnen. Durch ihre dortige Arbeit lernt sie schließlich ihren jetzigen Arbeitgeber Jan Kleihues vom Architekturbüro Kleinhues + Kleinhues kennen und erhält bereits nach kurzem Kennenlernen ein Jobangebot  für eine Stelle im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit in seinem Büro.

Ihre Aufgaben dabei sind vielseitig. “Die Öffentlichkeitsarbeiterin kümmert sich um die Presse, hält bildliches und textliches Informationsmaterial zu den Projekten bereit und ist für dessen Archivierung zuständig”[18]. Weiterhin berichtet Riedel, dass es kein Ausnahmefall sei, dass ein Büro jemanden für Öffentlichkeitsarbeit sucht. Denn bei der Öffentlichkeitsarbeit macht man Werbung, tritt an die Öffentlichkeit und gewinnt somit die fürs Büro wichtigen Bauherren.[19]

02) von Lea

Die nächste Grenzgänger: in, die in Folge dieser Ausarbeitung näher betrachtet werden soll, ist die heute wieder Architektin und ehemalige Köchin Leonie Heilmann. Sie wurde 1967 geboren und zog 1988 für ihr erstes Studium – Stadt- und Regionalplanung und später auch Architektur an der TU Berlin – in die deutsche Hauptstadt. Sie wollte einfach entwerfen und hätte sich später durchaus ein eigenes Architekturbüro vorstellen können. Leonie Heilmann hat sich zwar selbständig gemacht, allerdings leitete sie kein eigenes Architekturbüro, sondern war Mitinhaberin von „Leo Bettini“, einem Restaurant in Berlin, ehe sie zurück zur Architektur fand.

Angefangen hat alles mit dem Studium an der TU Berlin, Heilmann erinnert sich an den Massenbetrieb, der in ihrem Studiengang herrschte, „Hundert Leute in einer Entwurfsklasse, und ich hatte nicht mal einen richtigen Studienplatz“ – dieser Umstand verdarb der damals 21-jährigen schnell die Freude und die Laune an dem Studium. Sie verließ die TU Berlin noch im selben Jahr und bewarb sich für das kommende Semester an einer kleineren, eher künstlerisch orientierten Architekturschule, dem Pratt Institut in New York, nachdem sie sich auf Reisen in die Stadt verliebt hatte.  Heilmann verbrachte in New York die nächsten 5 Jahre ihres Lebens, studierte Architektur und verdiente sich als Obst- und Gemüseverkäuferin auf dem Farmers Market etwas dazu, eine Tätigkeit, die ihre Liebe zum Kochen und Rezepte kreieren entfachte.

1993 erhielt sie vom Pratt Institut ihren Bachelor in Architektur und das sogar mit Auszeichnungen, daraufhin zog sie zurück nach Berlin, arbeitete in mehreren Büros als freiberufliche Architektin und wurde Mutter zweier Kinder. Zwischendurch nahm Heilmann auch an etlichen freiberuflichen Wettbewerben teil und versuchte letztlich mit einem Wettbewerbsgewinn sich selbstständig zu machen und ein eigenes Architekturbüro zu gründen, ein Vorhaben, das scheiterte. Und auch wenn Heilmann damit keinen Erfolg hatte, gewann sie doch eine wichtige Erkenntnis. „Bauherrengespräche, Bauträgerverhandlungen (waren) nicht das, wovon sie geträumt hatte.“

Auch wenn sie das Architekturstudium an sich nie bereut hat und sie diesen Studiengang rückblickend wieder gewählt hätte, war die Realität, in der sich die damalige Architektin wiederfand, ernüchternd. Für Heilmann war der Alltag als freiberufliche Architektin schlichtweg nicht das, was sie sich während ihres Studiums vorgestellt hatte, die Praxis sah gänzlich anders aus, der Modellbau, der ihr während ihres Studiums so viel Freude bereitet hatte – eine absolute Seltenheit.

2002 beginnt die damals 35-jährige erneut ein Studium an der TU Berlin, mit dem Masterstudiengang Bühnenbild erfüllt sie sich damals einen Kindheitstraum. Erst das Studium am Pratt Institut sorgte dafür, dass sich Heilmann ihrer Fähigkeit des Kreativen bewusst wurde und sich diesem neuen Studiengang gewachsen fühlte und überhaupt erst zutraute. Sie assistierte danach an einer Schaubühne im Theater und musste feststellen, dass dieser zeitaufwendige Job, die vergleichsweise schlechte Vergütung und das langsame Hocharbeiten als Assistentin nicht mit ihrem Privatleben zu vereinbaren waren, erneut wuchs der Wunsch sich Selbstständig zu machen. „Es ist zu spät für mich. Ich bin aus dem Alter heraus, wo ich es nötig habe, mich noch mal langsam hochzuarbeiten.“

Danach schlug Heilmann eine gänzlich andere Karriere ein, zusammen mit ihrer Freundin Bettina Heikaus, eine Fotokünstlerin, eröffnete sie einen eigenen Laden. Die ursprüngliche Idee war ein Dessertrestaurant zu eröffnen, wie Heilmann sie aus den USA kannte. Die beiden Frauen mussten jedoch feststellen, dass die Auflagen in Deutschland andere waren, sie hätten in Berlin eine Lizenz gebraucht und Konditormeisterinnen sein müssen. Der Beruf der Köchin hingegen war nicht mit so strengen Auflagen geschützt, Heikaus und Heilmann fingen an zu experimentieren, wurden kreativ und kochten sich Gerichte vor. Durch die Fragestellungen “Was können wir machen, was machen wir gerne, was gibt’s noch nicht?” entstanden Nudeln und Knödel, letztere stammen von Heilmann und erinnerten sie an ihre Kindheit in Süddeutschland und Südtirol, in der Knödel mit Butter und Parmesan eine Spezialität sind.

Im Zuge dessen realisierte Heilmann ihren ersten Ladenausbau – einfach und bezahlbar – das waren ihre Leitgedanken. Eine Bretterwand trennt die Küche vom Gastraum, hölzerne riesige Wandregale lagern Wein- und Ölflaschen aus der Toskana und Gläser mit selbstgemachter Pesto, darunter stapeln sich auf dem kahlen, grauen Estrichboden die Mehlsäcke, für die Gäste gibt es weißlasierte Hocker und Tische aus Holz. „Ich glaube, die Leute kommen auch, weil der Laden so aussieht wie er aussieht.“

Heilmann betont aber auch, dass dieser Richtungswechsel nicht möglich gewesen wäre, wenn sich ihr Mann – ein freiberuflicher Musiker – nicht um die gemeinsamen Kinder gekümmert hätte. Am Ende eines jeden Tages ihrer 6-Tage-Arbeitswoche hat Heilmann 11 Stunden gearbeitet, nicht unbedingt eine Verbesserung zu einem großen Architekturbüro, das in Arbeit und Ideen versinkt. Der Unterschied für Heilmann ist, dass Leo Bettini ihr gehört, zudem sei das Kochen dem Planen gar nicht so unähnlich, beides sei etwas Optisches: „Man muss kreativ sein, um gut kochen und kredenzen zu können, so dass es anspricht.“

Aber auch dieser Beruf ist für Heilmann nichts für die Ewigkeit, tatsächlich kehrte sie 2016 zur Architektur zurück, bis heute arbeitet sie in dem Architekturbüro LE!TPLAN. Leonie Heilmann ist ein Beispiel dafür, dass eine Nische zu wählen, sei sie noch so weit vom Feld der Architektur entfernt, nicht das Ende sein muss.

 

03) von Enya und Eva

Bei Corinna Charis Schwarz handelt es sich um eine weitere Grenzgänger:in, die nach einem erfolgreichen Diplomabschluss im Fachbereich Architektur einen anderen Karriereweg einschlug. Sie wurde 1970 in Berlin geboren, wuchs anschließend im Rheinland auf und fing nach einem Innenarchitekturstudium in Düsseldorf das Architekturstudium in Potsdam an der Ecole d’Architecture de Paris La Villette.

In ihrer Diplomarbeit untersuchte sie den Boulevard périphérique, bei dem es sich um einen Autobahnring handelt, der die historische Pariser Innenstadt von den umliegenden wirtschaftlich schwächeren Haushalten mit einer Diversität an Migrationshintergründen baulich geographisch trennt. Durch vermehrte Berichte in den Medien über Unruhen in beschriebenen Vierteln, kamen Erinnerungen an ihre gesammelten Erfahrungen während eines Aufenthalts in Paris wieder in ihr Gedächtnis. Im Jahre 2000 ist sie im Zuge der Diplomarbeit den Autobahnring mehrfach entlanggefahren, mit der Frage, ob sich die städtebauliche Barriere der Autobahn auf der architektonischen Ebene aufheben lässt. Ihr Entwurf für das Aufbrechen der Trennung umfasst unter anderem ein Autokino, welches über der Autobahn auf einer Brücke platziert ist und somit beide Wohnviertel miteinander verbindet. Darüber hinaus enthält der Entwurf auch einen Garten mit Gewächshäusern, welche ebenfalls mit einer Brücke über die Autobahn gelegt sind und einen Kommunikationstreffpunkt der Bewohner:innen der beiden Viertel darstellen soll.

Anschließend an die Diplomarbeit stieg sie in den Beruf Architekt:in mit der Verwirklichung eines Wohnbauprojektes in Berlin-Mitte ein. Zusammen mit einem Freund plante sie 2001 bis 2003 ein Wohnhaus in der Berliner Auguststraße. Während dieses Projektes wurde ihr die Diskrepanz von dem Studium der Architektur zum realen Beruf Architekt:in deutlich.

„Die meiste Zeit verbrachten wir mit der Überwindung bürokratischer Hürden anstatt mit kreativer Arbeit“ – Corinna Charis Schwarz (?Zitat im Quelltext zitiert?)

Diese Realitätskonfrontation empfand sie als ermüdend und wollte nach Beendigung des Projektes zunächst etwas Distanz zwischen sich und dem Berufsleben Architekt:in schaffen.

Bereits während der Arbeit als Architektin sammelte Corinna Charis Schwarz auch in anderen Branchen eine Diversität an Erfahrungen. Denn zusätzlich zu dem normalen Architekt:innenalltag arbeitete sie auch als Barkeeperin, DJ, Model und Künstlerin. In der Modelbranche bot ihr das Sitzen für Maler:innen wesentlich mehr Lebensfreude als das Posieren für Momentaufnahmen in Fotos. Die Interaktion von Maler:in und ihr als Model empfand sie als spannend und den Prozess bis zum endgültigen Kunstwerk faszinierte sie. Als Modell für Künstler:innen liegt der Fokus mehr auf ihr als Person, wohingegen in der Werbebranche mehr in verschiedene Rollen geschlüpft werden muss, was Corinna Charis Schwarz als anstrengend empfand.

Im Jahre 2004 eröffnete sie zusammen mit Said Sennine einen Möbelladen am Zionskirchplatz in Berlin. Neben Klassikern wie beispielsweise einem dunklen Kunststoffsessel designed von Ray und Charles Eames oder einer eleganten Tischlampe von Verner Panton befinden sich zahlreiche weitere second hand Designermöbelstücke im Verkaufskatalog des Geschäftes. Die ständig durch Verkauf wechselnde Inneneinrichtung stellt für Corinna Charis Schwarz einen spannenden Wandel dar. Auch in der Arbeit findet sie Spuren der Arbeit des Architekt:innen Dasein, welche sie nicht missen wollen würde. Trotz der Distanz zu dem Beruf Architekt:in empfindet sie den designerischen und frei kreativen Anteil des Berufes stets als erhaltenswert in ihrem Leben.

 

Kurzbiografien anderer Studierender

 Sabine Winkel von Havva

Ausbildung

FH Köln Diplom Architektur / Hochbau Architektur                          1985 – 1993

 

Berufliche Stationen

Messestandsdesignerin Mecon GmbH Messeconsulting                Juni 1998 – März 2002

Architektin Messestandsdesign winkel-3d-design                            Mai 2014 -Mai 2014

Architektin Lichtplanerin Bäro GmbH & Co. KG                               Juni 2014 – Juli 2017

Lichtplanerin Oktralite Lichttechnik GmbH                                       2017 – heute

https://de.linkedin.com/in/sabine-winkel-b6353728?challengeId=AQF19HVFccHnwwAAAYjn9gc-mVvfxNUP74Itc2LSBdUF1LZAMDD7-hDOZsWYGlJR7igZYtOKk1zBwjRwntWwB3387oKOTnwYdw&submissionId=b655f2c3-7145-6b17-e4af-66569c9edc76&challengeSource=AgG4VUYdDvLggQAAAYjn9jtc89e35LZvp0n4eCs_ZCW0DlwoaR36E6X-shYsQEM&challegeType=AgHPpZTYMXlQtAAAAYjn9jtfU7ow5s214hrM1yw_mnPhyGvg0TBNwNA&memberId=AgEAX6PeVnFR4AAAAYjn9jtiwq1uw69CRYd3qVHYW94eh2c&recognizeDevice=AgEGuH7Gf0642QAAAYjn9jtlAsN7Ltcn0MOfNHWWpnqOY67I6IWq

 

Sarah Textor von Hannah

 

Privat

geboren 1983

 

Ausbildung

Architekturstudium THM Mittelhessen 2005 – Abschluss 2010

 

Berufliche Stationen

EKST mit Textilkünstlerin Elisabeth Knossalla                     August 2008

s2-architektur mit Sarah Sell                                                Mai 2010

Die Lichtplaner, Torsten Braun                                             Januar 2012 – Dezember 2013

Ulrike Brandi Licht

Gründung des Unternehmens “Sarah Textor Lichdesign”

 

Vera Purtscher von Vanessa

Privat

geboren 1961

verheiratet

einen Sohn

 

Ausbildung

Gymnasium Bludenz Abschluss 1979

Technische Universität Wien Abschluss 1997

 Berufliche Stationen

 

Gründung der Architektur und Design Gesellschaft                         2001

Entstehung der Geschirr und Porzellanserie Tantris

Entwurf der Glasserie SinStella                                            2010-2013

 

 

 

 

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[1] https://www.duden.de/rechtschreibung/Nische

[2] https://www.duden.de/rechtschreibung/Grenzgaenger

[3] https://www.brunel.net/de-de/karriere-lexikon/grenzgaenger

[4] https://www.deutschlandfunkkultur.de/der-architekt-geschichte-und-gegenwart-eines-berufsstandes-100.html

[5]

https://www.ingenieur.de/technik/fachbereiche/architektur/elisabeth-von-knobelsdorff-die-erste-architektin-im-portraet/

[6] https://bak.de/kammer-und-beruf/daten-fakten/arbeitsmarkt-architekten/wirtschaft-und-mittelstand/arbeitsmarkt/

[7] https://bak.de/wp-content/uploads/2023/02/ArbeitslosenzahlenNeueBerufsaufteilungbisJanuar2023.pdf

[8] https://bak.de/wp-content/uploads/2022/09/Absolventen_Architektur_bis2021.pdf

[9] https://bak.de/wp-content/uploads/2022/09/Entwicklung-der-Anzahl-der-Studierenden-bis-WS-2021_2022.pdf

[10] https://web.arbeitsagentur.de/berufenet/beruf/15706

[11] https://schoolandtravel.com/de/alternative-careers-for-architects/

[12] https://www.baunetz.de/magazin/magazin_200705.html

[13] http://media.baunetz.de/dl/157261/baunetz_grenzgaenger_01.pdf

[14] http://media.baunetz.de/dl/157261/baunetz_grenzgaenger_01.pdf

[15] http://media.baunetz.de/dl/157261/baunetz_grenzgaenger_01.pdf

[16] http://media.baunetz.de/dl/157261/baunetz_grenzgaenger_03.pdf

[17] http://media.baunetz.de/dl/157261/baunetz_grenzgaenger_03.pdf

[18] http://media.baunetz.de/dl/157261/baunetz_grenzgaenger_03.pdf

[19] http://media.baunetz.de/dl/157261/baunetz_grenzgaenger_03.pdf