Frauen in Architektur und Planung (FiAuP): Rollenbilder, Stereotypen und Vorurteile

Autor*in: Stella Bünger

Einleitung Stereotype, Rollenbilder und Vorurteile (Johanna  und Hannah  unter Mitarbeit von allen Teilnehmenden)

Die heutige Gesellschaft des 21. Jahrhunderts ist geprägt von Medien, Smartphones und dem World Wide Web, welches neue Wege der Informationsverarbeitung und Verbreitung eröffnet. Gleichzeitig ermöglicht die große Dimension der Medienlandschaft und das schnelle Abrufen von Informationen eine breite Meinungsbildung über verschiedene Inhalte und Gruppen. Meinungen werden transportiert, beeinflusst oder auch verändert. Dieser Transportprozess kann eine feste Verankerung von Meinungen in der Gesellschaft zur Folge haben (vgl. Hracya; Setzermann 2014: 1-2).

Daraus können sowohl positive als auch negative Vorurteile, Rollenbilder oder Stereotypen entstehen.

„Die Realität liegt vermutlich irgendwo zwischen den Extremen: jedes Klischee enthält ein Körnchen Wahrheit, das in sehr viel rosa Watte eingepackt ist […]“ (Bokern 2004)

Vorurteile und Stereotype unterstellen sozialen Gruppen bestimmte Eigenschaften und führen zur Bevorzugung oder Benachteiligung dieser Gruppen. Bereits die Nichtbeachtung solcher Gruppen stellt eine Diskriminierung dar. Stereotypen und Vorurteile werden durch die Gesellschaft, Eltern, Medien und die schulische Bildung ebenso geprägt wie persönliche Eindrücke und Erfahrungen (vgl. Fasola 2022).

Stereotype sind Zuschreibungen von Merkmalen zu Personen oder auch ganzen Gruppen, die auf einfachen Kategorisierungen beruhen und Informationen vereinfachen. Es entstehen Assoziationen, die in der Regel aber nicht besonders stark ausgeprägt, sondern eher oberflächlich sind. Sie entstehen im Vergleich zu Vorurteilen schnell (vgl. Fasola 2022). Es gibt verschiedene Arten von Stereotypen, wobei Heterostereotypen und Autostereotypen die Wertung der jeweiligen Stereotype beschreiben. Heterostereotypen weisen im Allgemeinen einen geringen Grad an Komplexität auf und tendieren zum Negativen, während Autostereotypen eine starke positive Eigentönung haben und von der eigenen Gruppe positiv verstanden werden. Räumliche Stereotype sind ortsgebunden und können lokal oder national variieren. Bei den geschlechtlichen und sexuellen Stereotypen geht es um Themen wie den Unterschied zwischen Mann und Frau, Zweigeschlechtigkeit oder Homosexualität. In dieser Kategorie wird eine sehr scharfe Trennung zwischen „weibliche“ und „männliche“ angestrebt und es finden sich diskriminierende Diskurse wie „das Andere“ oder „das Ungewöhnliche“ für Menschen, die sich nicht an die männlichen und weiblichen Normen der Gesellschaft halten. Darüber hinaus sind Alter, Beruf, wirtschaftlicher Status und sogar körperliche Merkmale einige der Konzepte, die Menschen in Stereotypen versetzen und ihrem Leben bestimmte Grenzen auferlegen (vgl. Thiele 2016). Das heutige stereotypische Erscheinungsbild eines Architekten wird beispielsweise als das Tragen von Schwarz, Umhängetaschen und sehr lange Arbeitszeiten sowie der Besitz eines teuren Hauses beschrieben (vgl. Life of an Architect 2020).

Vorurteile sind dagegen Meinungen bzw. emotionale Empfindungen zu verschiedenen Gruppen, wobei sie auch aus Stereotypen entstehen können. Sie werden daher auch als emotionale Stereotype bezeichnet. Dabei können sie abwertend sein, aber auch durch ausreichend Kommunikation positiv verändert werden. Zu bekannten negativen Vorurteilen gehören beispielsweise Rassismus, Sexismus oder Homophobie (vgl. Fasola 2022).

Rollenbilder treten häufig im Zusammenhang von Geschlechterrollen auf und umfassen Erwartungshaltungen sowohl im gesellschaftlich akzeptierten Bereich als auch im Allgemeinen an das Verhalten von Männern und Frauen in bestimmten Lebenssituationen (vgl. Böttcher 2020). Im Laufe der Zeit hat die Gesellschaft die Geschlechterrollen unbewusst internalisiert und schafft es bis heute nicht, sie abzulegen. Wenn wir die bestehenden Geschlechterrollen hinter uns lassen wollen, muss das geschlechterspezifische Verhalten gezielt aufgebrochen werden. Deswegen ist unter anderem auch die Betrachtung des Stadtraumes von großer Bedeutung, da durch ihn das Bild der Gesellschaft und somit auch Rollenbilder erschaffen werden. Stadtplanung hat so die wichtige Aufgabe, die gleichgestellten Bedürfnisse aller zu erfüllen (vgl. Räz 2022).

Quellen:

Bokern, Anneke (2004): Gutaussehende Alleskönner. Eine Ausstellung über den Architekten als Marketinginstrument; online abrufbar unter: http://www.anneke-bokern.com/artikel/adsandarch.html [Zugriff:16.07.2014]

Böttcher, Sabine (2020): Nachholende Modernisierung im Westen: Der Wandel der Geschlechterrolle und des Familienbildes; online abrufbar unter: https://www.bpb.de/themen/deutsche-einheit/lange-wege-der-deutschen-einheit/316321/nachholende-modernisierung-im-westen-der-wandel-der-geschlechterrolle-und-des-familienbildes/#node-content-title-0; [zuletzt abgerufen am 20.05.2023]

Fasola, Wilma (17.06.2022): „Diskriminierung findet bereits bei Nichtbeachtung statt“; Interview Jens Förster, erschienen in: getAbstract; online abrufbar unter: https://journal.getabstract.com/de/2022/06/17/diskriminierung-findet-bereits-bei-nichtbeachtung-statt/ [zuletzt abgerufen: 16.05.2023]

Life of an Architect, 061 (25.10.2020): Architectural Stereotypes, Bob Borson; online abrufbar unter: https://www.lifeofanarchitect.com/do-you-want-to-be-an-architect/; [zuletzt abgerufen 30.06.2023]

Matinyan, Hrachya; Setzermann, Philipp (Hrsg.) (2014): Zwischen Fremd- und Selbstdarstellung: Das gesellschaftliche Bild des Architekten in der Vergangenheit und Heute.

Räz, Corinne (23.12.22): Hochparterre, Konferenz zur nicht-sexistischen Stadt; online abrufbar unter: https://www.hochparterre.ch/nachrichten/planung-staedtebau/die-nicht-sexistische-stadt [zuletzt abgerufen: 30.06.2023]

Thiele, Martina (28.02.2016): Aus Politik und Zeitgeschichte, Medien und Stereotype; online abrufbar unter: https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/221579/medien-und-stereotype/; [zuletzt abgerufen: 30.06.2023]

Referate:

Interview baukind Berlin (Johanna)

Vorab eine kurze Erörterung des im Seminar recherchierten Sachverhalts, auf den sich die Fragen beziehen.

Betrachtet man den geschichtlichen Hintergrund der Frau in dem Berufsfeld Architektur und Planung, lässt sich eine sehr späte Integration erkennen. Erst seit dem Jahr 1909 ist es Frauen in Deutschland erlaubt an einer Hochschule zu studieren und Kurse zu belegen, vorher durften sie zwar an einer Vorlesung teilnehmen, allerdings nur als Gasthörerinnen. Und selbst als Sie die Hochschule als Studentinnen besuchen durften, konnten sie bis 1921 den Kursen ohne Grund von der Lehrenden Person verwiesen werden.

Frauen durften bis Mitte des 20. Jahrhundert studieren und arbeiten gehen, allerdings nur so lange, bis sie verheiratet waren und / oder Kinder bekamen, dann mussten sie ihren Job kündigen.

Im Jahr 1907 wurde das 1. Architekturbüro einer Frau in Deutschland eröffnet, von Emilie Winkelmann. Sie schrieb sich als Emil an der Hochschule ein um einen Platz zu bekommen. In dem Büro wurden überwiegend Soziale Bauten geplant und errichtet, da diese Art von öffentlichen Gebäuden als passender für Frauen angesehen wurden. Sie galten als „weibliche“ Bauten. Dieses Vorurteil hielt lange an und sobald eine Frau in einem Büro arbeitete, bekam sie überwiegend Aufgaben wie Altersheime, Flüchtlingsheime oder Kindergärten zu planen.

Auch heute wird die Frau, immer noch anders behandelt als ein Mann in dem Berufsfeld. Zwar gibt es an den Universitäten mehr Studentinnen, die ihren Abschluss im Bereich Architektur machen, allerdings ist nur jede fünfte Architektin und hauptsächlich Männer in Führungspositionen. Überwiegend Männer übernehmen den Job als Bauleiter*in und Frauen verdienen für dieselbe Arbeit im Durchschnitt 1/3 weniger als der Mann.

Interview:

J: Wann und Wie kam die Entscheidung, ein Büro zu eröffnen?

N: Der Wille war eigentlich schon lange da. Ich habe vor 12 Jahren Baukind gegründet, wollte mich davor aber auch schon selbstständig machen, Das war aber auch alles nicht so einfach, da man ja auch irgendwie an Kunden dran kommen muss. Das hat sich dann einfach so ergeben, durch meine Kinder und die Erweiterung des Kindergartens die ich gemacht habe. Den nächsten Aufträge kamen dann durch Empfehlungen.

J: Hast du das Büro allein eröffnet?

N: Nein, mit einer Freundin zusammen, auch eine Mutter. Sie war Produktdesignerin und ich Architektin und deshalb haben wir auch so ein weites Spektrum bei Baukind und machen eben nicht nur die Gebäude, sondern auch die Innenarchitektur. Vor 5 bis 6 Jahren haben wir uns dann aber getrennt. Nach einer nicht ganz einfachen Trennung, verstehen wir uns jetzt allerdings wieder gut und machen auch wieder zusammen Projekte.

J: Wie groß war das Büro zu Beginn (MitarbeiterInnen)? Und waren von Anfang an überwiegend Frauen angestellt?

N: Wir haben ganz klein angefangen, waren erst zwei, dann drei, dann vier Mitarbeiterinnen. Mittlerweile sind wir 15, was auch das Größte ist, seit Beginn an. Wir waren seit Anfang an eigentlich immer ein reines Frauenbüro, jetzt arbeiten allerdings auch zwei Männer hier.

J: Wie kam die Entscheidung überwiegend Frauen einzustellen, oder kommen hauptsächlich Bewerbungen von Frauen?

N: Es ist tatsächlich so, dass von allen Bewerbungen die so eingehen, maximal 5-10 Prozent von Männern kommen.

J: Sollte es an den Bewerbungen liegen, was denkst du, ist der Grund für die geringe Anzahl männlicher Bewerber?

N: Das ist dem verschuldet, dass Männer ganz oft keinen Bezug zu Kindern haben, bevor sie selbst welche haben. Deswegen motiviert sie die „Kinderarchitektur“ nicht so sehr, wie sie Frauen motiviert. Ich setze mich sehr dafür ein, dass sich das ändert in unserer Gesellschaft, weil ich finde viel von der Ungleichberechtigung der Frauen daher rührt. Warum haben Männer so wenig Kontakt zu Kindern bevor sie selber welche haben. Das liegt unter anderem auch daran, dass alle Kindergartenerzieher weniger als 5 Prozent ausmachen. So wachsen unsere Kinder in den ersten 6 Lebensjahren auf, dass Frauen ihre Betreuer sind, der Mann ist also noch gar nicht „im Bilde“. Natürlich auch mit der Elternzeit. In anderen Ländern ist es so, dass Männer den selben Anteil an Elternzeit bekommen wie die Frau. Unser Mitarbeiter Christian hat sich zum Beispiel auch einige Monate frei genommen um die Zeit mit seinem Kind verbringen zu können.

J: Damit hat sich meine nächste Frage, dann auch schon beantwortet, ob die beiden männlichen Mitarbeiter denn auch Väter sind.

N: Ja sind sie und wie ich toll finde, dass sie sich genauso einbringen wie die Frau und in dieser Zeit auch nicht Stereotyp sind. C. hat auch den Namen seiner Frau angenommen bei der Hochzeit, was auch nicht üblich ist. Es sind viele so Kleinigkeiten wo man merkt, dass sie dieser Zeit schon etwas voraus sind, was das Männerbild angeht. Ich bin sehr gespannt, wie sich das durch die jüngere Generation, also eure Generation oder die danach jetzt noch ändern wird.

J: Ja ich bin auch sehr gespannt. Ich könnte mir auch vorstellen, dass sich überwiegend nur Männer beworben haben, weil sie sich komisch gefühlt haben, dass sonst überwiegend Frauen im Büro arbeiten.

N: Ja das glaube ich auch, das macht mit Sicherheit auch einen kleinen Anteil aus, aber es ist glaube ich hauptsächlich einfach das Thema Kindergärten. Es ist natürlich eine normale Bauaufgabe, aber im Vordergrund steht einfach das Thema, mit dem sich nicht identifiziert werden kann. Wir haben tatsächlich generell auch die Schwierigkeit im Büro größere Projekte zu bekommen, da viel auf unserer Webseite nach „nur“ Innenarchitektur oder Design aussieht. Deswegen gucken wir auch, dass wir unsere Kommunikation und Presse auch ein bisschen leiten, damit die Leute sehen, dass wir auch ganz normalen Bürobau machen könnten.

J: Ja klar, sowieso ist es ja so, dass egal was wir planen und bauen, überall müssen Wände rein, ein Dach drauf etc.

Merkt man denn einen Unterschied zwischen der Planung und dem Entwurf zwischen Männern und Frauen?

N: Ja finde ich schon, auch wenn unsere Männer nicht Stereotype sind. Deswegen bin ich auch seit Jahren an einer Durchmischung interessiert, weil ich sowieso finde, dass heterogene Gruppen immer am besten funktionieren. Männer sind einfach ein bisschen anders als Frauen. Ich habe das Gefühl, dass insgesamt ein bisschen mehr Ruhe ist im Team, für die Frauen ist es schneller etwas stressiger und sie sind aufgeregter. Ich kann das aber natürlich auch nicht verallgemeinern. Bei unseren Mitarbeitern ist es so, dass sie mit einer Ruhe an die Aufgaben gehen, bei denen unsere Mitarbeiterinnen schon mal gestresster werden. Gerade bei der Bauleitung. Man merkt, dass sie häufig weniger emotional an die Sachen dran gehen, was aber in dem Fall positiv gemeint ist, da sie sich besser abgrenzen können und rationaler, objektiver agieren. Unser anderer Mitarbeiter hingegen ist emotionaler, hat sich aber deshalb vielleicht auch bei uns beworben.

J: Dann wäre die Frage, Bauleitung macht ihr ja auch, ob das dann eher die Männer übernehmen oder ob das durchmischt ist?

N: Ne, bei uns muss jeder alles machen. Wir haben beispielsweise momentan eine Mitarbeiterin, die ist Mitte 20, die macht jetzt auch Bauleitung.

J: Finde ich sehr gut. Hat man denn schon mitbekommen, dass dann eher mal Probleme auf der Baustelle aufgetreten sind, bezüglich der Zusammenarbeit mit den Bauarbeitern. Das die Bauleiterinnen zum Beispiel nicht so ernst genommen werden?

N: Ja man merkt definitiv einen Unterschied, aber das ist auch oft zum Guten muss ich sagen. Gerade jetzt bei dem Beispiel mit L., sie hat eine große Gabe die Leute mit ins Boot zu holen. Ich habe auch das Gefühl, dass sich die Handwerker besonders anstrengen, weil man sich sympathisch ist und sie einen guten Job leisten wollen. Das kann also immer beides sein. Ich habe aber auch das Gefühl, dass man als Frau schon härter arbeiten muss, damit das ein gutes Verhältnis auf Augenhöhe wird, gerade auch nochmal mehr, wenn man auch noch jung aussieht.

J: Wir hatten uns in dem Seminar auch schonmal Gedanken gemacht und sind auf den Entschluss gekommen, dass es mit Sicherheit auch schwieriger ist, da die meisten Bauarbeiter Männer sind und häufig auch noch ein veraltetes Rollenbild im Kopf haben.

N: Ja auf jeden Fall. Wobei man das schnell entkräften kann über Kompetenz und das ist eigentlich eine ganz Gute Erfahrung, dass das Bild nicht so bleibt. Das liegt aber auch daran, dass die Menschen erstmal alles neue komisch finden und sich daran gewöhnen müssen.

In der Baubranche ist es allerdings auch noch sehr unüblich, dass Frauen die Bauleitung übernehmen.

J: Dann hätte ich auch noch Fragen, die vielleicht etwas in das Privatleben gehen, falls das in Ordnung ist. Ich stelle sie einfach erstmal und es ist auch in Ordnung, wenn sie nicht beantwortet werden.

Bist du alleinerziehend oder mit Partner?

N: Ne, ich bin zwar getrennt, aber wir haben immer 50 / 50 Kindererziehung gemacht. Wir haben drei Kinder zusammen und wir leben auch noch zusammen in einem Haus nah beieinander und haben uns immer von Anfang an von allen Kindern das gleichberechtigt aufgeteilt. Der Vater ist Komponist und auch selbstständig und daher war das auch Glück, dass er keinen Vollzeitjob hatte und sich die Arbeitszeiten selber einteilen konnte, aber er hat sich zu 100 Prozent eingebracht. Sonst hätte ich das so wahrscheinlich auch gar nicht alles machen können.

Das war tatsächlich auch bei uns im Büro nicht so ganz einfach. Da wir alles Frauen sind, trifft uns das Thema auch härter. Diese 6-8 Wochen Mutterschaftsurlaub, das sind drei Monate, da bekommen wir für die Zeit von der Krankenkasse 13 Euro am Tag, als Arbeitgeber, um das Auszugleichen. Ansonsten zahlen wir 100 Prozent Gehalt an die Mitarbeiterin. Wenn du dir jetzt vorstellst, dass diese 3 Monate voll bezahlt werden müssen, aber die Arbeit nicht gemacht werden kann und wir überwiegend Frauen im Büro sind und dann noch dazu kommt, dass die Stelle freigehalten werden muss und wir niemand neuen einstellen können, dann kommt einem das manchmal wirklich ungerecht vor. Dafür müsste es mehr Unterstützung vom Staat geben um das Auszugleichen. Ich kann wirklich ArbeitgeberInnen verstehen, die lieber Männer einstellen.

Zu Beginn waren wirklich drei vier Frauen gleichzeitig schwanger, die dann weg fielen, das war eine Mittelschwere Katastrophe für uns. Also wie gesagt, nicht nur Geld zu zahlen für keine Leistung sondern auch die Stelle ein Jahr frei zu halten und in der Zeit vielleicht niemand neuen einstellen zu können, obwohl man eine Arbeitskraft bräuchte ist schon nicht einfach. Da müsste der Staat eingreifen und den Ausgleich komplett übernehmen. Da fängt die Diskriminierung einfach schon an, da es ein großer Grund ist einer weiblichen Bewerberin einen männlichen vorzuziehen. […]

[…] Für Frauen ist es einfach schwer nach der Schwangerschaft von 40 auf vielleicht 20 oder 30 Stunden die Woche runterzugehen und dann noch eine Karriere zu machen. Ein großes Thema ist auch die Altersarmut. Frauen die vielleicht 15-20 Jahre nur halbtags gearbeitet haben, zahlen natürlich auch viel weniger in die Rentenkasse ein und bekommen im Nachhinein auch viel weniger. Wenn das gleichermaßen aufgeteilt wäre, dann hätten am Ende beide Parteien eine gesicherte Rente. Man muss sich vorstellen, in vielen Fällen hält die Beziehung einfach nicht so lange, so dass die Frau dann selber dafür verantwortlich ist, wie sie in ihrer Rente auskommt, während der Mann eine normale Rente bekommt. Da muss vom Staat aus mehr passieren, damit es überhaupt eine Gleichberechtigung geben kann.

J: Das ist wirklich interessant so mal zu hören, gerade das mit der Rente und dem Mutterschaftsgeld ist einem einfach gar nicht wirklich bewusst und ist schockierend zu hören.

Das mit der Karriere bekommt man auch selber mit. Man kennt kaum große Architektinnen und selbst in Architekturgeschichte hört man überwiegend nur von Männern, obwohl insgesamt mehr Frauen ihren Abschluss in Architektur machen.

N: Ja wir hatten damals auch einfach Glück mit unserer Nische, da immer mehr Kindertagesstätten gebraucht wurden und es viel zu wenige gab. Jedes dritte Kind hat keinen Platz in einer KiTa bekommen, was bedeutete, dass das Kind die ersten 3 Jahre mindestens

erstmal zu Hause bleiben musste und die Mutter gar nicht arbeiten gehen konnte. Und ich weiß aus eigener Erfahrung, wenn man einmal aus dem Job draußen ist, dein Selbstwertgefühl geht so runter, dass du denkst das du alles nicht mehr wirklich kannst oder wie du dich am besten bewirbst usw. […]

J: Das kann ich mir sehr gut vorstellen, da muss einfach viel mehr gemacht werden und viel mehr Unterstützung kommen.

Vielen Dank das du dir Zeit genommen hast und mir so viel zu den Fragen sagen konntest. Es war wirklich sehr interessant und aufschlussreich!

Quelle:

Johanna Sauerwein (25.01.2023): Interview mit Baukind Berlin vertreten durch: Nathalie Dziobek-Bepler

Die Architekt (Erik / Hannah / Josefine)

Im Jahr 1952 gründete der deutsche Architektenverband (BDA) ein eigenes Periodikum. Damals wählte man als Namen für das Magazin ganz selbstverständlich „der architekt“. Die damals hochmoderne Kleinschreibung des Titels knüpfte deutlich an die (Bauhaus)-Moderne an. Was den bestimmten Artikel hingegen angeht, war das generische Maskulinum wahrscheinlich einfach nur mitgemeint, den „der Architekt“ war in der Nachkriegszeit wie wir bereits erfahren haben, in aller Regel ein Mann. Die Frau trat erst viel später in das Berufsbild der Architektur. Denn schließlich durften sie erst seit 1977 ohne die Zustimmung des Mannes arbeiten und erst 1994 wurden ein Gesetz erlassen, das besagt, dass sich Stellenausschreibungen sowohl an Männer als auch an Frauen richten müssen. Daher stellte man sich zuvor die Frage nach dem Geschlecht gar nicht erst. Und genau dieses Bild will der BDA mit Hilfe von Namensänderungen beseitigen. Seit Ende 2020 ist der BDA nun ganz offiziell der „Bund Deutscher Architektinnen und Architekten“. Mit der 1. Ausgabe 2022 zieht die Zeitschrift des BDA nun nach und so wurde ihr Name mit dem Ziel einer Geschlechtergleichheit angepasst, sie heißt jetzt „Die Architekt“. Das klingt erst mal sympathisch fremdartig, ist aber ein völlig gegenwärtiges Thema. Doch wieso kommt man gerade jetzt darauf den Namen zu ändern? Der alte Titel habe „vermehrt Anlass zu Diskussionen in der Redaktion sowie in den Gremien des BDA und der Fachöffentlichkeit [gegeben]. Angesichts eines Berufsstands, in dem seit vielen Jahren mehr als die Hälfte der Studierenden Frauen sind, erschien er zunehmend unzeitgemäß.“ (BDA (16.02.2022): Was ist gut? Ethik der Architektur. S.1) Offenbar sollten für den Titel jedoch nicht mehr Buchstaben verwendet werden – ganz im Gegensatz zum Wechsel des Verbandsnamens, wo der alte Name ergänzt und die Weibliche Berufsbezeichnung ausgeschrieben hinzugefügt wurde. Man erkennt trotzdem die Absicht, Geschlechtergerechtigkeit in einem mehrheitlich von Frauen ergriffenen Beruf herzustellen. Dass jedoch gerade Diese Lösung keine gute Idee war, hätte den Verantwortlichen spätestens in dem Moment, in dem sie ihr umständliches Editorial verfassten, bemerken können. In der ersten Ausgabe unter neuem Namen bemühte sich demnach die Redaktion im Editorial darum, Klarheit zu schaffen. So schreiben sie: „Die Architekt“ zeige an, „dass es sich nicht etwa um eine Person, sondern um, Die (Zeitschrift) Architekt handelt“ (BDA (16.02.2022): Was ist gut? Ethik der Architektur. S.1). Bei der Auslassung des Wortes Zeitschrift handele es sich um die rhetorische Figur der Ellipse. Die Aussparung mache Widersprüche des Berufsfelds sichtbar und lasse Uneindeutigkeit zu. Leider wirken der Wechsel und vor allen seine Begründung etwas gewunden. Denn Architekt bleibt Architekt, eine Entschärfung der Gendersituation hat eigentlich nicht wirklich stattgefunden. Ähnlich sehen das auch die Journalisten verschiedener Zeitschriften. So Tauchen Artikel über die Namensänderung des Magazins auf. So Schreiben zum Beispiel die

Frankfurter Allgemeinen: „Ein Titel wie eine windschiefe Hütte“

Der Bund Deutscher Architektinnen und Architekten versucht, den Titel seiner Zeitschrift geschlechtergerecht zu machen. Das Bemühen steht unter keinem guten Genderstern.“ (Matthias Alexander (22.02.22) Ein Titel wie eine windschiefe Hütte; online zu finden:

https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/kunst-und-architektur/bund-deutscher-architekten-nennt-

zeitschrift-die-architekt-17822293.html)

– Frauen in Architektur und Planung – Die Architekt – Enrik Just – 35229423 –

Und in der Welt:

„„Die Architekt“? Ja, richtig gelesen!

Nach siebzig Jahren hat sich das Magazin des deutschen Architektenverbands einen neuen Titel gegeben. Mit der krummen rhetorischen Figur wird dabei aber keine Geschlechtergerechtigkeit erreicht.“ (Marcus Woeller (21.02.22) „Die Architekt“? Ja, richtig

gelesen!; online zu finden: https://www.welt.de/kultur/architektur/article237042883/Gendern-Die-Architekt-Ja-richtig-gelesen.html)

Doch Tatsächlich steht der BDA mit diesen Problemen nicht alleine da. In der gesamten Zunft gibt es, was das angeht, noch immer markante Defizite. So haben sich Ausstellungen wie „Frau Architekt“, die das Deutsche Architekturmuseum in Frankfurt/Main im Jahr 2017 über „Frauen im Architektenberuf“ konzipierte oder Bücher wie „Frauen in der Architektur“, das knapp vierzig Architektinnen in Leben und Werk vorstellt, erst in den vergangenen Jahren begonnen, sich mit dem Problem zu befassen. Auf der einen Seite ist es Löblich und schön zu sehen, dass man sich der Probleme und Defizite bewusst ist. Jedoch stellt sich der weg immer noch als sehr eingefahren da und es scheint leider sehr schwer zu fallen diese Spuren zu verlassen. Um eine eventuelle Lösung für das Namensproblem des Magazins zu nennen hätte ich mir eine genderneutrale Form wie „Das Architektur“ gut vorstellen können oder mit den Worten des BDA die rhetorische Figur der Ellipse bezieht sich auf „Das (Magazin) Architektur. Die Überschrift im Editorial der ersten Ausgabe lautet „… sonst ändert sich nix“ In der Quelle kann man auch noch sehen das man bisher nur den Namen des Magazins geändert hat. Die Webadresse hat sich bisher noch nichts geändert und sie ist immer noch Der Architekt.

Quelle:

Enrik Just (k.A.); Die Architekt; Im Rahmen des Semiars: Frauen in Architektur und Planung an der Universität Kassel.

Vom Autor angegebene Quellen:

Frauen in der Architektur und Landschaftsplanung – Architektur Studierende Stereotype und Klischees  (Virginia / Shukuh / Nora)

In dieser Präsentation haben wir uns ausgiebig mit den stärksten Vorurteilen gegenüber den Architekt*innen und den Architektur-Studierenden befasst. Beispiele dafür wäre der Vorwurf von starkem Kaffeekonsum oder die angeblich überdurchschnittlich guten Zeichenfähigkeiten.

Zu genau solchen Klischees haben wir eine Umfrage erstellt, die wir jeweils Architektur-Studieren­den aus der Universität Kassel, als auch Nicht-Architektur-Studierenden gestellt haben. Zuzüglich dessen haben wir uns verschiedene Social-Media-Kanäle als Abgleich herangezogen.

Zu Beginn soll jedoch erstmal eine kurze Worterklärung folgen.

Der Begriff 11 Stereotyp“ betitelt eine Gruppe/Art/Typen ohne einen weiteren Input zu dieser Kategorie zu geben. Ähnlich zu verstehen wie ein Schrank mit mehreren Schubladen, dessen Inhalt man nicht kennt.

Beispiele für einen Stereotyp wären: 11 Architekt“, 11Mann“, 11 Frau“ usw.

Ein Vorurteil füllt den Stereotypen nun mit Informationen, ganz gleich, ob diese ihre Richtigkeit haben oder nicht. Also wären in unserem Vergleich mit dem Schrank die Vorurteile, die nun den Inhalt der Schublade des Schrankes bestimmen.

Beipiele dafür wären:

Architekt – kann gut Zeichnen

Mann – ist groß und stark

Frau – lange Haare und emotional

Kommen wir zum ersten Vorurteil: 11 gut Zeichnen können“

Die Umfrageergebnisse der Nicht-Architekt*innen zeigt, dass die Mehrheit genau dieser Meinung ist. Ganze 68% der Befragten befürworten diese Aussage während nur 32% vom Gegenteil überzeugt sind.

Woran könnte das liegen? Wir haben uns dafür auf Google-Bilder umgeschaut. So gut wie jedes Bild zeigt jemanden, der mit der Hand präzise Zeichnungen in gigantischen Maßstäben durch­führt. Umgeben von seinen Hilfswerkzeugen, wie das Geodreieck oder dem Zirkel, erstellt die abgebildete Person Zeichnungen, die nur von jemanden zu Grunde gelegt werden kann, der auch die nötigen Zeichenfähigkeiten hat.

Auf TikTok sieht es nicht anders aus. Man stößt auf etliche Videos in denen Studierende detailreiche Zeichnungen anfertigen, die förmlich einschüchtern können; wie ist es wirklich, was sagt die Umfrage der Studierenden?

(Verweis auf Folie 7) Wir haben die Studierenden gefragt, wie sie ihre zeichnerischen Fähigkeiten auf einer Skala von 1 (sehr gut) bis 5 (schlecht) einschätzen würden. Es ist zu erkennen, dass sich die meisten als durchschnittliche Zeichner*innen sehen. Ein paar wenige sind überdurchnittlich begabt, während andere genau vom Gegenteil überzeugt sind.

Das Entscheidende hierbei ist, dass das Zeichnen mit der Hand heutzutage keine Rolle mehr spielt; alles wird digital dargestellt. Es ist nicht mehr ausschlaggebend, ob man ein Händchen dafür hat oder nicht. Die einzigen Zeichnungen, die man noch mit der Hand anfertigt, sind Skizzen. Diese müssen bekannterweise nicht ästhetisch sein.

Unser Fazit: Dies ist ein nicht gerechtes Klischee, das nicht der Wahrheit entspricht.

„Architekten tragen nur schwarz“ ist das nächste Klischee, das wir uns angeschaut haben. Das ist ein bekanntes Klischee, das auch viel im Internet so repräsentiert wird. Ob als Spruch „Architek­ten tragen nur schwarz, es sei denn es ist Sommer, dann tragen Sie schwarz“ oder als Karikatur, die darstellt wie Architekten in ihren Kleiderschrank schauen, der nur mir schwarzen Kleiderstü­cken ausgestattet ist. Das generelle Image des Architekten ist ein älterer weißer Mann mit kaum bis gar keinen Haaren. Früher wurde noch ein schwarzer Anzug getragen doch zur heutigen Zeit ist der schwarze Rollkragenpullover die Mode. Eine schwarze runde Brille darf zum Look auch nicht fehlen. Wenn man überlegt woher dieses Klischee Image kommt, muss man gar nicht lange überlegen. Le Corbusier und Philip Johnson machen es vor. Aber auch zahlreiche andere bekann­te Architekten repräsentieren dieses Bild nur zu gut. Angefangen von Rem Koolhaas bis Norman Foster, von leoh Ming Pei bis Daniel Libeskind. Auch wenn Frauen noch unterrepräsentiert wer­den, meint man Architektinnen wie Zaha Hadid oder Kazuyo Sejima erfüllen ebenfalls das Kli­schee der schwarzen Kleidung.

Natürlich kann man einen Kleidungsstil nicht pauschalisieren. In unserer Umfrage haben wir trotz­dem genau dieses Klischee befragt und wollten wissen wie viele Studenten wirklich überwiegend schwarz tragen. Tatsächlich trifft die Aussage auf 30% der Befragten zu während 43% sagen, dass schwarz immer irgendwie mit dabei ist. Daraus schließt man, dass schwarz einfach eine universelle Farbe ist, die jeder mal mehr oder weniger besitzt. Die Befragten beschreiben ihren Kleidungsstil eher neutral, zeitlos und schlicht. Schwarz gehört sowie grau, weiß und verschiedene Erdtöne in diese Stilrichtung.

,, Trinken Architekt*innen viel Kaffee?“

Die Umfrage der Nicht-Architekten zeigt, dass 62% diese Aussage als eine Unwahrheit wahrneh­men. Und auch die angehenden Architekt*innen geben in der Umfrage an, dass 41 % von ihnen gänzlich auf Kaffee verzichten. (Verweis auf Folie 14) Doch woher kommt dann dieser Vorwurf? Abgesehen davon das in Film und Fernsehen das Kaffee trinken in Bürojobs idealisiert wird, ha­ben wir noch eine zweite psychologische These entwickelt.

Dafür ist als erstes zu verstehen, dass unser Körper eine bestimmte Handlungsabfolge als Routine abgespeichert hat.

 

Schmerz – Handlung – Belohnung

Um es genauer zu erklären: Wenn wir Schmerz empfinden, leitet unser Körper eine Handlung ein, die uns beruhigen soll und das läuft über eine Belohnung ab. Der empfundene Schmerz stellt in unserem Fall der Stress da. Die gängigsten Belohnungen zu dem die Gesellschaft neigt zu greifen sind: Social Media, Zigaretten, Alkohol, ungesunde Snacks und der Kaffee.

Vielleicht fällt Ihnen jetzt sogar eine Situation ein, in der ein Studierender beispielsweise nach einer Präsentation erstmal eine Zigarette rauchen musste. Oder haben sie schonmal beobachtet wie jemand nach einer unangenehmen Situation erstmal nach dem Handy gegriffen hat, um sich abzulenken? All das sind alltägliche Momente in unserem Leben, die genau nach diesem Prinzip anlaufen. Und hier kommt der Job des Architekten ins Spiel. Nun ist es kein Geheimnis, dass ein Bürojob von stressigen Situationen und Überstunden geprägt ist. Wir assoziieren solche Berufe mit Stress. Die Kombination aus dem resultierenden Stress und der in uns verankerten Hand­lungsabfolge lässt den Menschen quasi von allein auf die Idee kommen, dass an solchen Arbeits­plätzen ein starker Kaffeekonsum herrschen muss. Außerdem lassen sich die anderen gängigen Belohnungsmaßnahmen nur selten bis gar nicht am Arbeitsplatz realisieren.

Quelle:

Poursharifi, Shukuh; Gau, Virginia (01.02.2023): Architektur Studenten – Stereotypen und Klischees; Im Rahmen des Semiars: Frauen in Architektur und Planung an der Universität Kassel.

Von den Autor:innen angegebene Quellen:

Eigene Umfrage der Autor:innen

Frauen in der Architektur und Planung – Rollenbilder in der Ukraine (Anastasia / Cosima)

Am 24. Februar 2022 sind russische Truppen in die Ukraine einmarschiert. Damit hat Russland der Ukraine den Krieg erklärt, welcher seitdem mit zunehmender Zerstörung andauert.

Durch den Überfall starben bisher über tausende von Menschen, die genauen Opferzahlen sind nicht bekannt. Nach Angaben des UNHCR haben 13,7 Millionen Ukrainerinnen und Ukrainer seit Februar ihr Land verlassen. Abgesehen von dem 1 . und 2. Weltkrieg entwickelte sich eine der drittgrößten Flüchtlingsbewegungen Europas. Der Kriegsbeginnt stellt einen Verstoß gegen das Völkerrecht da. Demzufolge beschlossen die Nato- und EU-Staaten beschlossen umfangreiche Sanktionen gegen Russland sowie humanitäre und militärische Hilfe für die Ukraine. (Vgl. bpd, 2023)

Zwei dieser Kriegsflüchtlinge, eine Mutter mit Ihrer Tochter, wurde eine Unterkunft in meinem Heimathaus in Deutschland angeboten. Während einiger Gespräche berichteten beide, dass Ihnen Unterschiede Ihnen zwischen dem Leben in Deutschland und der Ukraine auffallen. Betrachtet man die Rolle der Frau in der Ukraine müssen zunächst einmal die Rollenbilder vor und während des Krieges betrachtet werden, da im laufe der Zeit eine Art Verschiebung stattfand. Olena (38 Jahre alt) berichtet, dass gerade zz Zeiten des Krieges die Geschlechterrollen innerhalb eines Landes sich klar abzeichnen. Im Folgenden wird das Rollenbild der Frau, anhand fünf Punkten näher betrachtet. Dazu gehören die Berufe, das Gehalt, der Wandel der Werte, Rechtliche Fragen sowie der Krieg.

Berufe

,,Beinahe 60 Prozent der Ukrainer unterscheiden Berufe weiterhin in „weibliche“ und „männliche“. Dies geht aus einer aktuellen Studie der Agentur lnfoSapiens im Auftrag des Bevölkerungsfonds der Vereinten Nationen hervor. Zudem empfehlen 21 Prozent der Eltern ihren Kindern die Wahl eines Berufes nach geschlechtsspezifischen Merkmalen.“ (Hanna Hrytsenko, 2021) Jedoch versuchen engagierte ukrainische Frauen, diese Ausgangslage zu verändern. Ulla Nielshaus schrieb 2018 in einem Artikel, dass Anfang des 21. Jahrhunderts ca. 450 Berufe für Frauen verboten waren. Demnach steht im ukrainischen Gesetzbuch, dass „der Einsatz von Frauen und Minderjährigen für schwere Arbeiten oder solche unter schädlichen und gefährlichen Bedingungen, sowie für Arbeiten unter Tage, abgesehen von einigen Ausnahmen (nicht-physische Arbeit, sani­täre Arbeit oder alltagstypische Dienstleistungen), verboten [ist]. Verboten ist überdies die Hinzu­ziehung von Frauen zum Anheben oder zum Verschieben von Sachen, deren Masse, die für sie festgelegten zulässigen Normen überschreitet“. (Hanna Hrytsenko, 2021)  Olena sieht dieses Gesetz nicht als eine Art Verbot an, sondern sei froh darüber, dass Frauen davor geschützt seien harte körperliche Arbeit zu verrichten. Sie verstehe nicht wie hier in Deutschland Frauen auf dem Bau arbeiten können und zum Beispiel schwere Pflastersteine schleppen müssen. In weiteren Gesprächen merkt man ihr stark an, dass nicht nur vom ukrainischen Staat ein bestimmtes Rollenbild impliziert wird, sondern auch die Bürger in der Ukraine ein anderes Bild haben als Deutsche.

 

Gehalt

Frauen in Führungspositionen sind bislang in der Ukraine sehr selten zu finden, sie belegen weniger als ein Viertel der Arbeitsplätze. Doch gerade in moderneren Berufen wie der IT-Branche oder in der Politik steigt der Frauenanteil beständig. Wobei auch hier wieder zwischen weiblichen und männlichen Tätigkeiten unterschieden wird. So arbeiten Frauen innerhalb der IT-Branche hauptsächlich im Marketing, während Männer die Bereiche Qualitätssicherung und Systemadministration dominieren. Man spricht von einem Einkommensunterschied von bis zu 75 Prozent. Im Gesetzbuch für Arbeit sei die gleiche Bezahlung von Frauen und Männern nicht festgeschrieben, ähnlich wie in Deutschland. (Hanna Hrytsenko, 2021)

Wandel der Werte

Olenas Mutter erzählte ihr, dass zu Beginn der Sowjetunion Frauen deutlich mehr Macht und man dem Ziel von Gleichberechtigung und Emanzipation der Frau sehr nahe war. Doch in den nachfolgenden Jahren kam es zum Wandel und der militärisch autoritäre Staat sah im weiblichen Geschlecht die Möglichkeit menschliche Ressourcen zu eigenen Gunsten auszubeuten. Der Frau wurde ein bestimmtes Rollenbild zugetragen. Zur Förderung der Geburtenrate hat die sowjetische Regierung Maßnahmen ergriffen, die offiziell zum Schutze der Mutterschaft dienen sollten. Jedoch wurden laut Olena den Frauen die Freiheit auf körperliche Selbstbestimmung entzogen. Zum Beispiel waren Abtreibungen bis 1955 verboten. Danach waren Abtreibung weiterhin stark erschwer und Verhütungsmittel nicht wirklich vorhanden. Olena erzählt, dass beim Versuch eigenhändig eine Abtreibung durchzuführen viele starben. (Vgl. Hanna Hrytsenko, 2021) In den 1970er Jahren wurden dann Regelung in das Arbeitsgesetzbuch der Sowjetunion aufgenommen, die bestimmten, dass Frauen die Ausführung „gefährlicher“ und „schwerer“ Arbeiten zum Zwecke des Schutzes ihrer reproduktiven Gesundheit verboten. (Vgl. Hanna Hrytsenko, 2021) Olena beschreibt, dass Frauen und Männer schon in frühen Jahren bestimmte Rollenbilder bzw. Stereotypen zugeteilt wurden. So gab es in den Schulen zum Teil berufsspezifische Unterrichtsfächer jeweils für Mädchen und Jungen, wodurch gewisse Stereotypen bezüglich typisch weiblicher und männlicher Arbeit gefestigt wurden. Olena ist in einer anderen Zeit als ihre Mutter großgeworden, sie bekam Anfang der 1990er Jahre mit, dass sich immer Frauen zusammenschlossen und eine Art feministische Bewegung entstand. Besonders der Internationalen Frauentag am 8. März wurde jährlich mit Märschen durch die Straßen der Ukraine zelebriert, wobei Frauen fordern, dass Ihnen mehr Rechte eingeräumt werden. Dabei geht es, unter anderem um Gleichberechtigung und Antidiskriminierung von Transfrauen.

 

Rechtliche Fragen

Rein rechtlich garantiere der Artikel 24 der ukrainischen Verfassung die rechtliche Gleichheit von Frau und Mann. Die vollständige Gleichberechtigung von beiden Geschlechtern sei in der Ukraine jedoch noch lange nicht gewährleistet, auch wenn positive Entwicklungen in den letzten Jahren zu erkennen seien. Besonders zwischen Großstädten und kleineren Dörfern sei ein Unterschied bemerkbar. (Vgl. Hanna Hrytsenko, 2021) Olena erzählt, dass Frauen beim Thema sexuelle Belästigung nur zum Teil durch das Gesetz geschützt sind. Das ist einer der Gründe, warum Frauen häufig männlich dominierenden Berufsfelder vermeiden. Es gibt keine konkreten Schutzmechanismen vor Diskriminierungen oder Belästigungen, wodurch sie gezwungen werden diese über sich ergehen zu lassen oder zu kündigen. In der Ukraine sind gewisse Stereotypen noch geprägt aus der Zeit der Sowjetunion. Doch Olena sieht in dem Krieg Hoffnung, dass es zu einer Umstrukturierung kommt, da sich die Ukraine nun mehr an die europäische Kultur annähert und stark von der sowjetischen Tradition abwenden möchte.

 

Krieg

Zu Beginn des Krieges sind vordergründig Frauen und Kinder geflohen, während Männer an die Front sind, um das Land zu verteidigen. Dies vermittelt eine klare Bild der Geschlechterrollen. Während Frauen zu schützen sind und sich gleichzeitig um die Gare-Arbeit der Kinder kümmern, nehmen Männer die Rolle des Verteidigers und Beschützers ein. Doch je länger der Krieg ging, desto mehr Frauen haben sich bereit erklärt ebenso wie männliche gelesene Personengruppen für ihr Vaterland zu kämpfen. Eine Verschiebung der klaren Geschlechterrollen findet statt, jede Person mehr an der Front wird als eine Art Verbesserung der Chance den Krieg zu gewinnen verstanden, unabhängig vom Geschlecht. Man spricht hierbei auch von einem „Zerfall des Gender“. (Hanna Hrytsenko, 2021) Die typische Rolle der Frau stirbt langsam aus und es entsteht vielmehr ein Bild von emanzipierten Frauen, die sich in gesellschaftlich und politisch Prozesse integrieren. Schließlich können Frauen ebenso eine Waffe betätigen wie Männer.

Quelle:

Barg, Anastasia (k.A.): Frauen in der Architektur und Planung – Rollenbilder in der Ukraine; Im Rahmen des Semiars: Frauen in Architektur und Planung an der Universität Kassel.

Von der Autorin genutzte Quellen:

  • Olena (Ukrainerin, 23) – Anonymisierung zum Schutz der Privatsphäre
  • bpd (2023): Krieg in der Ukraine, https://www.bpb.de/themen/europa/krieg-in-der-ukraine/ [Stand: 05.01.2023]
  • Hanna Hrytsenko (2021 ): Die Geschlechterstereotype auf dem ukrainischen Arbeitsmarkt ändern sich, aber nur langsam, https://ukraineverstehen.de/hrytsenko-geschlechterstereotype­ukrainischer-arbeitsmarkt/ [Stand: 05.01.2023]

Rollenbilder und Social Media (Hendrik)

Das Kinderhilfswerk Plan International hat eine umfangreiche Studie zum Thema Rollenbilder und Social Media durchgeführt. Untersucht wird auch die Auswirkung dieser Rollenbilder auf die Gleichberechtigung, welche als Grundvoraussetzung für eine gerechtere Welt verstanden wird. Dies hat bisher allerdings kein Land erreicht. Eine der Kernaussagen ist, dass die Nutzung sozialer Medien einen Einfluss auf die persönliche Einstellung zu Rollenbildern und damit auch zur Gleichberechtigung hat. Gerade die Befragten, die die sozialen Medien intensiv nutzen, haben häufiger stereotype und konventionelle Ansichten zur Rollenverteilung zwischen Männern und Frauen.

 

Die Untersuchung zeigt beispielsweise, dass Frauen, die täglich soziale Medien nutzen, häufiger der Meinung sind, dass es in Ordnung ist, wenn Frauen für die gleiche Arbeit weniger verdienen als Männer. Insgesamt finden 32 % der Frauen und 52 % der Männer das Lohngefälle zwischen Mann und Frau in Ordnung (vgl. S 5). Ähnlich verhält es sich bei den Ansichten zur Familienarbeit, wo Frauen, die intensiv soziale Medien nutzen, eher der Meinung sind, dass Frauen hauptsächlich für den Haushalt und das Familienleben zuständig sein sollten. Insgesamt finden 35 % der Frauen und 57 % der Männer das Hausarbeit immer noch Frauensache ist (vgl. S 6).

 

Bei Männern, die täglich soziale Medien nutzen, sind ebenfalls konventionellere Ansichten zur Rollenverteilung festzustellen. Sie finden es eher akzeptabel, wenn Frauen weniger verdienen und legen mehr Wert auf klassische Schönheitsideale.

 

Es wird darauf hingewiesen, dass die Nutzung sozialer Medien zu einem Fokus auf Äußerlichkeiten und Perfektionismus führen kann, da die Nutzerinnen und Nutzer dazu neigen, sich besser darzustellen, als sie in Wirklichkeit sind. Insgesamt nutzen 94 % der Frauen und 87 % der Männer mindestens eine Maßnahme zur Selbstoptimierung beim Posten (vgl. S 7). Auch verschiedene Themen wie Umgebung, Körperhaltung und Gesichtsausdruck sowie das Bearbeiten von Bildern und Videos vor dem Hochladen ist den befragten sehr wichtig.

Die Motivation hierfür wird teilweise mit Spaß, aber auch mit Erwartungsdruck, Mobbing oder Gruppenzwang begründet. Insgesamt empfinden 2/3 der Befragten Rollenklischees in den sozialen Medien nicht als störend (vgl. S 9).

Insgesamt zeigt die Untersuchung, dass die Nutzung sozialer Medien stereotype Rollenbilder verstärken kann und einen Einfluss auf die persönliche Einstellung zur Gleichberechtigung hat. Es wird betont, dass ein bewusster Umgang mit den sozialen Medien und eine kritische Reflexion der dargestellten Rollenbilder wichtig sind, um eine nachhaltige Gleichberechtigung zu erreichen.

Quellen:

Plan International Deutschland e. V. (August 2019): Pressemitteilung – Instagram und Co bremsen die Gleichberechtigung aus – Umfrage von Plan International zu Rollenbildern in den sozialen Medien; online abrufbar unter: https://www.plan.de/presse/rollenbilder-in-den-sozialen-medien.html [zuletzt geprüft: 29.06.2023]

Quellen Collage:

[1] Bild Unterschrift: “Sie ist zu schön, um etwas im Kopf zu haben“.
[2] Vu, Vanessa, Zeit Online (Hrsg.) (2019): Die männliche Stadt.
 
[3] Architektenkammer Niedersachsen (2023): Richtige Architekten und Architektinnen.
[4] Sembritzki, Katja; Ntv (Hrsg.) (2021): Kampf gegen Vorurteile. Architektinnen brauchen Sichtbarkeit.
[5] Sembritzki, Katja; Ntv (Hrsg.) (2019): Vergessene Künstlerinnen. So weiblich war das Bauhaus.
(Gruppenfoto auf dem Dach: Als einzige Bauhaus-Meisterin ist Gunta Stölzl rechts im Bild zu sehen.)